In einer Sporthalle befinden sich zwei Männer in Stützhaltung auf Sportmatten. Ein Mann macht unter Anleitung eines Sporttrainers eine Übung auf der Gymnastikmatte

f | glass GmbH "Wir wollten nichts von der Stange, sondern etwas Eigenes"

Für ihr Gesundheitsangebot "Fitness für Dich" erhielt die f |glass GmbH 2017 eine Prämie der VBG für gezielte Gesundheitsförderung

Das Unternehmen ist jung, alle Arbeitsplätze sind optimal ergonomisch gestaltet, doch der Schichtbetrieb ist eine bestimmende Größe bei der Arbeitsorganisation: "Der Ofen läuft 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr", erzählt Personalleiterin Kristina Eins. "Er kann nur kontrolliert am Ende der Laufzeit - nach ungefähr 18 bis 20 Jahren - abgeschaltet werden.“ Da sich technisch und organisatorisch an den Arbeitsabläufen nur noch wenig optimieren ließ, wurde über eine personenbezogene Maßnahme nachgedacht, die zum Betrieb passt. "Wir wollten nichts von der Stange, sondern etwas Eigenes", erzählt Franziska Löbner, festangestellte Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa). Keine Fitness-Gutscheine, kein Studio außerhalb des Betriebs. Herausgekommen ist ein schichtkompatibles, auf Muskel-Skelett-Beschwerden zugeschnittenes Sportangebot, das dienstags und donnerstags vor oder nach der Arbeit inhouse wahrgenommen werden kann.

Eckdaten
  • Glaskeramik-Industrie
  • Produktion und Weiterverarbeitung von Flachglas (im Gegensatz zu Hohlglas = Flaschen, Gläser) insbesondere für die Gebäude-Architektur und Solarindustrie
  • täglich über 700 Tonnen Flachglasproduktion
  • Anzahl der Beschäftigten in Voll- und Teilzeit: 230
  • Standort: Sülzetal bei Magdeburg/Sachsen-Anhalt, gegr. 2008
  • www.fglass.de
  • Ansprechpartnerinnen: Franziska Löbner, Fachkraft für Arbeitssicherheit, f.loebner@fglass.de; Kristina Eins, Personalleiterin, k.eins@glass.de
  • Was wurde bewegt? Sportausgleichsprogramm, das auf die individuellen Belastungen, Arbeitsbedingungen und die Konstitution des Einzelnen sowie auf den Schichtbetrieb angepasst ist. Die f |glass GmbH 2017 erhielt hierfür eine Prämie der VBG für gezielte Gesundheitsförderung (www.vbg.de/praemie).

Wie bekomme ich alle mit ins Boot?

Die Unternehmensleitung ist fest entschlossen

"Unser Geschäftsführer geht selbst regelmäßig zu den Sportkursen", erzählt Personalleiterin Kristina Eins. Als sie gemeinsam mit Sifa Franziska Löbner ihr Vorhaben auf Führungsebene vortrug, wurden die beiden sofort mit Zeit, Geld und Räumen unterstützt.

Beschäftigte frühzeitig einbeziehen

Bevor das neue Gesundheitsangebot konzipiert und eingeführt wurde, wurden die Arbeitsplätze aller 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begutachtet und die Belastungen analysiert. Zugleich konnten die Beschäftigten an einem kostenlosen Gesundheitscheck teilnehmen, die anonymisierten Daten wurden für die weitere Entwicklung des geplanten Gesundheitsangebotes genutzt. Über zwei Drittel der Beschäftigten nahmen an dem Screening teil. Aus den Erkenntnissen wurde das Sportangebot "Fitness für Dich" entwickelt und zunächst als Pilotprojekt angeboten, Beschäftigte über Bonusaktionen zur Teilnahme motiviert und ihr Feedback für die Weiterentwicklung des Angebotes genutzt.

Wie schaffe ich die notwendigen Voraussetzungen?

Systematisches Vorgehen

Um herauszufinden, welches Gesundheitsangebot die Beschäftigten am besten unterstützen kann, gingen Sifa und Personalleitung systematisch vor und ließen sich dabei von einem Sportwissenschaftler und -trainer beraten:

  1. Frühjahr 2016: Analyse der Arbeitsbedingungen und Belastungen an jedem Arbeitsplatz. Identifikation von vier Hauptzielgruppen, die unter jeweils ähnlichen Bedingungen tätig sind. Betrachtet wurden dabei: Schichtarbeit, Arbeitsumgebung, psychologische Einflüsse, körperlich schwere Arbeit, vorrangig sitzende Tätigkeit sowie Monotonie bei der Arbeit.
  2. Frühsommer 2016: Durchführung des Screenings. Alle Beschäftigten können sich einem individuellen und kostenlosen Gesundheitscheck unterziehen, die anonymisierten Daten werden ausgewertet. Eine sehr engagierte und personalisierte Werbung – persönliche Anschreiben nach Hause, persönliche Ansprache im Betrieb – führt dazu, dass 67 Prozent der Beschäftigten daran teilnehmen.
  3. August 2016: Auswertung der Screening-Daten mit dem Ergebnis, dass die Vorbeugung von Muskel-Skelett-Erkrankungen für alle bedeutsam ist.
  4. November 2016: Start des Sportausgleichsangebotes "Fitness für Dich" als Pilotprojekt. Geworben werden die Teilnehmenden durch persönliche Ansprachen und eine Bonus-Aktion mit einem begehrten T-Shirt "im f | glass-Design".
  5. Januar 2017: Evaluation des Pilotprojektes über Fragebögen. Die Anregungen der Teilnehmenden fließen in die Konzeption ein.
  6. Frühjahr 2017: Implementierung des Angebotes als Regelangebot, jeweils dienstags und donnerstags, 45 Minuten zu verschiedenen Zeiten, so dass alle Beschäftigten es vor oder nach ihrem Schichteinsatz nutzen können.
  7. Herbst 2017: Post-Screening. Alle Beschäftigten können sich erneut einem Gesundheitscheck unterziehen, um zu überprüfen, ob sich ihre Beschwerden bzw. ihr Gesundheitssituation verändert haben. Die Daten werden zurzeit ausgewertet.

Zeit, Geld, Material und Personal bereitstellen

Personalleiterin Kristina Eins und Sifa Franziska Löbner haben sich die Zeit genommen, das neue Angebot zu entwickeln, zu organisieren und zu testen – neben ihrem anspruchsvollen Tagesgeschäft. Der externe Sportwissenschaftler und –trainer Markus Schwerdtfeger wurde mit der Analyse der Arbeitsplätze und der Auswertung des Screenings beauftragt und führt seit November 2016 bis zu sieben 45-Minuten-Kurse in der Woche durch. Die Kurse finden an zwei Werktagen nachmittags in einem Besprechungsraum statt.

Wie ermute ich andere zu Veränderungen?

Es gibt "Kümmerer"

Das Gesundheitsteam der f | glass GmbH, bestehend aus Personalwesen, Arbeitssicherheit und Betriebsrat, haben sich von Anfang an mit viel persönlichem Engagement für ihre Idee eingesetzt. "Mehrmals standen wir im Sportshirt, mit Smoothies, Eiweißriegeln und Musik am Personaleingang und haben die Kolleginnen und Kollegen auf das neue Angebot angesprochen", erinnern sich Personalleiterin Kristina Eins und Fachkraft für Arbeitssicherheit Franziska Löbner. "Dieses Engagement hat selbst rigorose Sportmuffel überzeugt."

Wie schaffe ich ein gesundheitsförderliches Unternehmensklima?

Wiederholte Kommunikation – klare Botschaften

Für die Teilnahme an dem Screening entwarfen sie einen leicht verständlichen Flyer, der alle Sorgen – Was passiert mit meinen Daten? Wie lange dauert das? etc. – thematisierte. Diesen schickten sie den Beschäftigten mit einem persönlichen Anschreiben nach Hause. "Wir haben sehr lange darüber nachgedacht, wie wir unsere Kolleginnen und Kollegen am besten erreichen können", erklärt Sifa Löbner. "Immerhin arbeiten bei uns bis zu 90 Prozent Männer, der allergrößte Teil im Schichtdienst. Das schränkt das Sozialleben stark ein", erzählt Personalleiterin Eins. "Da liegt es nahe, dass man nach acht Stunden Schicht nach Hause will – und nicht in den Konferenzraum zum Sportmachen." Ihrer beider Erfahrung ist: die persönliche und authentische Ansprache ist der Schlüssel zum Erfolg. Ein Flyer, Aushang oder Standardschreiben reiche nicht. Es müsse deutlich werden, wie wichtig das Thema der Führungsebene sei und mit wie viel Engagement sie es vorantreibe. "Dann klappt’s!"

Die Führungskräfte machen mit

Das neue Sportangebot ist für alle und funktioniert hierarchie- und abteilungsübergreifend: der Ofenmaurer neben der Führungskraft, der Facharbeiter neben der Vertriebsmitarbeiterin. "Das ist ein toller Nebeneffekt: So lernen sich die Kolleginnen und Kollegen aus allen Bereichen kennen", freut sich Personalleiterin Eins. "Und wenn der Chef im Sportshirt genauso außer Atem kommt wie man selbst … dann baut das einfach Berührungsängste ab und schweißt zusammen."

Was kennzeichnet nachhaltige Maßnahmen?

Maßnahmen, die zu Beschäftigten und Tätigkeit passen

Um ein möglichst passgenaues und wissenschaftlich begründetes Gesundheitsangebot bieten zu können, engagierte die f |glass GmbH den Sportwissenschaftler und -trainer Markus Schwerdtfeger. Er untersuchte alle Arbeitsplätze auf ihre möglichen Belastungen, entwickelte Belastungsprofile für die verschiedenen Bereiche und wertete die Screening-Daten aus. Dabei kristallisierte sich heraus, dass fast alle Beschäftigten immer wieder unter Muskel-Skelett-Beschwerden leiden", berichtet Sifa Franziska Löbner. Gemeinsam entwickelten sie auf dieser Datenlage das Angebot "Fitness für Dich": ein 45-minütiges, auf die besonderen Arbeitsbedingungen im Betrieb und auf MSE-Prävention spezialisiertes Sportangebot, das die Beschäftigten vor oder nach ihren Schichten in den Räumen der f | glass GmbH wahrnehmen können. Und da der Sporttrainer Markus Schwerdtfeger aus den Befragungen zur Erstellung der Belastungsprofile alle Beschäftigten sehr gut kennt, kann er die Trainingseinheiten passgenau auf sie zuschneiden.

Evaluieren und weiterentwickeln – Kommunikation aufrecht halten

Im Frühjahr 2017 wurde das Gesundheitsangebot als regelmäßig stattfindende Trainingseinheit im Betrieb implementiert, im Herbst 2017 fand das Post-Screening statt. Die Auswertung wird zur Weiterentwicklung des Angebotes genutzt. "Zurzeit nehmen vier bis sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an jeder Trainingseinheit teil", erzählt Personalleiterin Eins. "Das wollen wir natürlich noch steigern." Anfang des neuen Jahres haben sie und Frau Löbner weitere Marketingmaßnahmen geplant. Welche, wird noch überlegt. Klar aber ist: "Wir werden unsere Kolleginnen und Kollegen wieder persönlich ansprechen. Das funktioniert einfach am besten."