Manuelle Arbeitsprozesse Herausfordernde Handarbeit in der Produktion oder am Fließband
Unter manuellen Arbeitsprozessen versteht man Tätigkeiten mit den Händen und Armen, bei denen sich identische oder ähnliche Abläufe fortwährend wiederholen. Diese Tätigkeiten werden meist im Sitzen oder Stehen ausgeübt, so dass immer dieselben Muskelgruppen beansprucht werden. Dadurch kommt es zu einer mangelhaften Sauerstoffversorgung in diesen Bereichen und es fehlen Erholungsphasen. Auch Sehnen und Sehnenansätze können dabei zu stark beansprucht werden. Monotones manuelles Arbeiten belastet nicht nur Hände und Arme, sondern auch den Schulter- und Nackenbereich.
Wer ist betroffen?
Betroffen sind beispielsweise Beschäftigte mit Montage- und Verpackungstätigkeiten oder mit Arbeitsaufgaben in der Textil- und Nahrungsmittelindustrie. Typische Tätigkeiten sind: Nähen, Bohren, Schneiden, Sortieren, Schrauben und Montieren.
Wann spricht man von einer Gefährdung?
Die Höhe der körperlichen Belastung hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- der Häufigkeit und Dauer der Wiederholungen,
- der Kraft, die für die Tätigkeit aufgewendet werden muss,
- den Greifbedingungen von Werkzeugen oder Materialien,
- der Stellung und Bewegung der Gelenke im Hand-Arm-Bereich,
- der Körperhaltung und
- möglichen zusätzlichen Vibrations- oder Kälteeinwirkungen.
Wegen der Vielzahl der relevanten Faktoren wird die Gefährdung mit der Leitmerkmalmethode "Manuelle Arbeitsprozesse" beurteilt, die alle diese Faktoren berücksichtigt. Eine wesentlich erhöhte oder hohe körperliche Belastung liegt immer dann vor, wenn nach der Leitmerkmalmethode der Risikobereich 3 oder 4 erreicht wird. Im Einzelfall, beispielsweise bei Menschen mit Vorerkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, kann schon dann eine Gefährdung vorliegen, wenn der Risikobereich 2 erreicht wird.
Welche Beschwerden können auftreten?
Häufige Wiederholungen können Muskeln, Sehnen, Sehnenansätze, Nerven und Blutgefäße überlasten. Dies äußert sich als Schmerzen oder schmerzhafte Bewegungsstörungen in den Unter- und Oberarmen, im Schulterbereich und im Bereich der oberen Wirbelsäule. Beispiele für Erkrankungen sind das Karpaltunnelsyndrom und Sehnenscheidenentzündungen. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese als Berufskrankheit anerkannt werden. Darüber hinaus können häufige Wiederholungen dazu führen, dass bestehende Beschwerden (zum Beispiel durch Arthrosen) im Bereich der Finger-, Hand- und Ellbogengelenke verstärkt werden.
Wird die Tätigkeit im Sitzen ausgeführt, sind zusätzlich Muskelermüdung und schmerzhafte Muskelverspannungen im Rücken, in Schulter oder Armen möglich.
Der Bewegungsmangel bei sitzender Tätigkeit erschwert den Rücktransport des Bluts aus den Beinen und kann zu einer Schwellung der Beine führen. Auf Dauer können sich daraus Gefäßschäden entwickeln. Die Unterforderung des Herz-Kreislauf-Systems senkt zudem die körperliche Fitness.
Handlungsempfehlungen
- Stellen Sie sicher, dass die Gefährdungsbeurteilung von einer fachkundigen Person durchgeführt wird.
- Erfassen Sie bei der Gefährdungsbeurteilung die Frequenz und Dauer der Belastung sowie die aufzubringenden Kräfte, die Greifbedingungen von Werkzeugen und Materialien sowie die Stellung und Bewegung der Gelenke und die Körperhaltung. Nutzen Sie für die Gefährdungsbeurteilung die Leitmerkmalmethode „Manuelle Arbeitsprozesse“.
- Gestalten Sie Arbeitsplätze und Tätigkeiten so, dass häufige Wiederholungen möglichst vermieden werden.
- Planen Sie einen regelmäßigen Wechsel der Tätigkeiten ein, um einseitige Belastungen zu vermeiden.
- Binden Sie bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Tätigkeit Ihre Sicherheitsfachkraft und Ihre Betriebsärztin oder Ihren Betriebsarzt ein.
- Verwenden Sie ergonomisch gestaltete und für die Arbeitsaufgabe geeignete Werkzeuge.
- Sorgen Sie für ausreichende Beleuchtung.
- Passen Sie die aufzuwendenden Kräfte an die Dauer, Häufigkeit und erforderliche Geschicklichkeit an.
- Halten Sie die aufzuwendenden Kräfte bei Arbeiten mit hoher Geschicklichkeit, schneller Bewegungsfolge oder langer Dauer niedrig.
- Verwenden Sie Abstützungen, um unnötige Haltearbeit zu vermeiden.
- Unterweisen Sie Ihre Beschäftigten regelmäßig, wie sie die Tätigkeit ohne Gefährdung ausüben können.
- Ermöglichen Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Tätigkeiten mit häufigen Wiederholungen ausüben müssen, ausreichende Pausen, an Sitz- oder Steharbeitsplätzen auch Bewegungspausen.
- Gehen Sie als Führungskraft mit gutem Beispiel voran!
- Arbeitsmedizinische Vorsorge: Liegt eine wesentlich erhöhte Gefährdung vor, müssen Sie Ihren Beschäftigten die arbeitsmedizinische Vorsorge schriftlich und persönlich anbieten (Angebotsvorsorge). Eine wesentlich erhöhte Gefährdung liegt vor, wenn die Leitmerkmalmethode "Manuelle Arbeitsprozesse" den Risikobereich 3 oder 4 ergibt.
- Vermeiden Sie möglichst einseitige Bewegungen und Körperhaltungen über längere Zeiträume.
- Nutzen Sie die vorhandenen Präventionsangebote Ihres Betriebs.
- Handeln Sie so, wie Sie es in den Unterweisungen und Einweisungen gelernt haben.
- Halten Sie die Pausen ein.
- Nehmen Sie die arbeitsmedizinische Vorsorge wahr.
- Versuchen Sie, die Tätigkeiten abwechslungsreich zu gestalten.
- Trainieren Sie Ihre Rumpf- und Armmuskulatur und nutzen Sie Ausgleichsgymnastik.
- DGUV-Information 208-033 "Muskel-Skelett-Belastungen – erkennen und beurteilen“
- Basis-Check und Einstiegsscreening der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastungen bei manuellen Arbeitsprozessen
- Handbuch zur Gefährdungsbeurteilung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- Ergonomische Gestaltung von Montagearbeitsplätzen
- Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV): Die Verordnung schreibt vor, dass Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen den Beschäftigten bei wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen durch repetitive manuelle Tätigkeiten die mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System verbunden sind, arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten müssen (Angebotsvorsorge).
- Arbeitsmedizinische Regel (AMR)13.2: Sie konkretisiert, wann repetitive manuelle Tätigkeiten wesentlich erhöhte körperliche Belastungen darstellen und eine eine arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten ist (Angebotsvorsorge).
- Berufskrankheiten-Verordnung (BKV): Die Verordnung beschreibt in Verbindung mit dem jeweiligen Merkblatt zur Berufskrankheit 2101, 2113 und 2114 die Anerkennungsvoraussetzungen für Schäden durch Arbeiten mit häufigen Wiederholungen.