Heben, Halten und Tragen Schon mehr als drei Kilogramm belasten den Rücken
Es müssen nicht immer überfüllte Umzugskartons oder übereinander gestapelte Getränkekisten sein, die das Muskel-Skelett-System belasten. Auch kleinere Gewichte ab 3 kg können, sofern sie nicht sachgemäß angehoben, gehalten und getragen werden, auf Dauer krankmachen.
Wer ist betroffen?
Betroffen sind beispielsweise Beschäftigte im Baugewerbe, in der Logistik und in der Landwirtschaft.
Wann spricht man von einer Gefährdung?
Die Höhe der körperlichen Belastung wird durch folgende Faktoren bestimmt:
- das Gewicht der Last,
- die Ausgangshöhe beim Greifen der Last und die Abstellhöhe beim Absetzen der Last,
- die Körperhaltung,
- die horizontale Entfernung der Last vom Körperschwerpunkt,
- die Symmetrie der Lastenverteilung am Körper,
- die Dynamik der Bewegung,
- die Häufigkeit des Hebens, Haltens oder Tragens pro Schicht und
- den zurückgelegten Weg beim Tragen.
Bei Lastgewichten von mehr als 35 kg für Männer und 20 kg für Frauen besteht immer eine Gefährdung. Sind die Lastgewichte geringer, kommt es darauf an, wie stark andere Faktoren ausgeprägt sind.
Wegen der Vielzahl der relevanten Faktoren wird für die Beurteilung der Gefährdung zum Beispiel die Leitmerkmalmethode "Heben, Halten und Tragen" empfohlen, die alle diese Faktoren berücksichtigt. Es liegt immer dann eine wesentlich erhöhte oder hohe körperliche Belastung vor, wenn nach der Leitmerkmalmethode der Risikobereich 3 oder 4 erreicht wird. Im Einzelfall, z. B. bei Menschen mit Vorerkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, kann schon dann eine Gefährdung vorliegen, wenn der Risikobereich 2 erreicht wird.
Welche Beschwerden können auftreten?
Bei hoher Belastung kann das Heben und Tragen die direkt betroffene Muskulatur überbeanspruchen und ermüden. Auch Überlastungen der passiven Strukturen des Bewegungsapparates (Knochen, Gelenkknorpel, Bandscheiben, Sehnen, Bänder) sind möglich. Das Heben oder Tragen von Lasten kann außerdem das Herz-Kreislauf-System und die Atmung beeinträchtigen und zu einer allgemeinen körperlichen Ermüdung führen.
Auf Dauer kann das Heben und Tragen von Lasten schmerzhafte funktionelle Einschränkungen des gesamten Bewegungsapparates hervorrufen. Besonders leiden die Lendenregion, der obere Rücken, die Arme und Schultern sowie die Hüft- und Kniegelenke. Bandscheibenschäden in der Lenden- und Nackenregion und Arthrosen der Hüftgelenke können unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anerkannt werden.
Handlungsempfehlungen
- Stellen Sie sicher, dass die Gefährdungsbeurteilung von einer fachkundigen Person durchgeführt wird.
- Erfassen Sie bei der Gefährdungsbeurteilung mindestens Lastgewicht, Körperhaltung, Greifbedingungen und Dauer der Belastung.
- Nehmen Sie die Arbeitsbedingungen unter die Lupe, zum Beispiel Beleuchtung und Bewegungsräume.
- Nutzen Sie für die Gefährdungsbeurteilung die Leitmerkmalmethode (LMM) „Heben, Halten, Tragen“.
- Prüfen Sie, ob Hilfsmittel zum Tragen und Heben eingesetzt werden können.
- Binden Sie bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Tätigkeit Ihre Sicherheitsfachkraft und Ihre Betriebsärztin oder Ihren Betriebsarzt ein.
- Stellen Sie geeignete Hilfsmittel zur Verfügung und unterweisen Sie Ihre Beschäftigten regelmäßig, wie die Hilfsmittel richtig angewendet werden.
- Teilen Sie die Lasten in möglichst gut handhabbare Größen und Gewichte ein.
- Sorgen Sie bei der Gestaltung der Arbeitsplätze dafür, dass die Aufnahme bzw. Ablage der Lasten in einer möglichst günstigen Position erfolgt. Empfohlen wird eine Höhe von 70 bis 100 cm. Idealerweise wird die Arbeitshöhe angepasst.
- Schaffen Sie ausreichenden Bewegungsraum, damit keine Körperdrehung „unter Last“ erforderlich ist.
- Achten Sie darauf, dass die Arbeitsplätze ausreichend beleuchtend sind. Damit können zum Beispiel Unfälle durch Stolpern vermeiden werden.
- Planen Sie einen regelmäßigen Wechsel der Tätigkeiten ein, um einseitige Belastungen zu vermeiden.
- Ermöglichen Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die viel tragen und heben müssen, ausreichende Pausen.
- Gehen Sie als Führungskraft mit gutem Beispiel voran!
- Arbeitsmedizinische Vorsorge: Liegt eine wesentlich erhöhte Gefährdung vor, müssen Sie Ihren Beschäftigten die arbeitsmedizinische Vorsorge schriftlich und persönlich anbieten (Angebotsvorsorge). Eine wesentlich erhöhte Gefährdung liegt vor, wenn die Leitmerkmalmethode den Risikobereich 3 oder 4 ergibt.
- Nutzen Sie die vorhandenen Hilfsmittel und die Präventionsangebote Ihres Betriebs.
- Handeln Sie so, wie Sie es in den Unterweisungen und Einweisungen gelernt haben.
- Heben und tragen Sie mit geradem Rücken.
- Verteilen Sie die Lasten möglichst gleichmäßig.
- Holen Sie sich bei Bedarf Unterstützung.
- Halten Sie die Pausen ein.
- Nehmen Sie die arbeitsmedizinische Vorsorge wahr.
- Versuchen Sie, die Tätigkeiten abwechslungsreich zu gestalten.
- Trainieren Sie Ihre Rumpfmuskulatur.
- DGUV-Information 208-033 "Muskel-Skelett-Belastungen – erkennen und beurteilen“
- Basis-Check und Einstiegsscreening der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- Leitmerkmalmethode zur Beurteilung und Gestaltung von Belastungen beim manuellen Heben, Halten und Tragen von Lasten
- Handbuch zur Gefährdungsbeurteilung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
- Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV): Die Verordnung schreibt vor, dass Arbeitgeber und Arbeitgeberin den Beschäftigten arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten müssen (Angebotsvorsorge), wenn es sich bei den Hebe- und Tragetätigkeiten um wesentlich erhöhte körperliche Belastungen handelt, die mit einer Gesundheitsgefährdung für das Muskel-Skelett-System verbunden sind.
- Arbeitsmedizinische Regel (AMR) 13.2: Sie konkretisiert, wann Heben, Halten und Tragen von Lasten eine wesentlich erhöhte körperliche Belastung darstellt und eine arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten ist (Angebotsvorsorge).
- Berufskranken-Verordnung (BKV): In der Verordnung und den Merkblättern der Berufskrankheiten 2108 und 2109 sind die Anerkennungsvoraussetzungen für Bandscheibenschäden der Lenden- bzw. Halswirbelsäule festgelegt.